Informationen zur Statik der U-Bahnplanung der 1970er Jahre

Ein interessanter Forenbeitrag aus dem Forum www.bahninfo-forum.de wird hier wieder gegeben. Es geht im Schwerpunkt um die statischen Elemente, die schon beim Bau des Zentrums von Neu-Steilshoop für die geplante aber nicht umgesetzte U-Bahn berücksichtigt wurden.

Quelle: www.bahninfo-forum.de
Autor: NVB (User im Forum)
Datum: 05.02.2011

U-Bahn Brückenseitenrahmen bei der MLK-Kirche

U-Bahn Brückenseitenrahmen bei der MLK-Kirche

Die Überbrückung wirkt von außen massiv wie ein Bunker, da die Konstruktion als Kastenbrücke gebaut ist. Die eigentliche Brückenfahrbahn etwa in der Mitte des Tragrahmens ist nur etwa ein Drittel so dick. Dieser hier sichtbare südliche Brückenseitenrahmen setzt sich nach oben als äußerst massives Betongeländer und nach unten als ebenso massive Schürze fort. Die gleiche Konstruktion befindet sich von außen nicht erkennbar auf der Nordseite der Brücke und zweifach mit etwa zwei Meter Abstand in der Längsmitte der Brücke.

Von unten betrachtet haben wir also zwei umgekehrt u-förmige Betonprofile, die sich an allen Enden auf insgesamt acht massive, etwa 30 Meter tief gegründete Betonpfeiler abstützen. Die relativ geringe Überdeckung des geplanten U-Bahntunnels war einem möglichst preiswerten Bau, dem leicht erreichbaren Zugang zum Einkaufszentrum und dem späteren Abgang zur U-Bahn mit dem hier vorgesehenen Mittelbahnsteig geschuldet.

Fussgängerdurchgang zum EKZ unter der Straße

Fussgängerdurchgang zum EKZ unter der Straße

Hier nun der Durchgang, über den es so viele Spekulationen gab und immer noch gibt. Die Pfeiler können schon von ihrer zierlichen Konstruktion her nichts mit der darüber liegenden Betonkastenbrücke zu tun haben. Des Rätsels Lösung ist dann auch ganz einfach. Sie tragen die hier sichtbare Decke, eine Zwischendecke, die nur die Hohlräume der umgekehrt u-förmigen Betontröge der Brückenkonstruktion von unten abdeckt.

Wir blicken hier auf die Seite nach Osten und hinter der Wand befindet sich ab etwa Fußbodenhöhe eine Stützkonstruktion, die verhindert, dass der Druck der anschließenden, rund 150 Meter langen Schotterfüllung die provisorische Wand des Tunneldurchgangs zum Einsturz bringt. Die gleich aussehende Wand im Rücken des Fotografen dient auch nur als provisorische Trennwand zu verschiedenen Räumen, die - sehr unspektakulär - teilweise als Lagerräume genutzt werden. Unter den Fußböden sind keinerlei Hohlräume oder Vorratsbauten, sondern lediglich der nicht weiter behandelte Originaluntergrund dieser Gegend. Über die weitere Länge der Brückenkonstruktion im Rücken des Fotografen kann nur spekuliert werden. Die ab hier nicht mehr einsehbaren stählernden Spundwände setzen sich jedenfalls bis zur Einmündung des westlichen Cesar-Klein-Rings und des Schreyerrings fort.

Eingang unter dem Kirchturm der MLK-Kirche.

Eingang unter dem Kirchturm der MLK-Kirche.

Hier blicken wir wieder nach Norden, etwas östlich von Bild 1. Ist hier endlich der geheimnisvolle Abgang zu den tiefen, Spannung erzeugenden Gefilden einer verschwiegenen Untergrundbahn? Nein, es ist die Enttäuschung pur! Durch diese Tür sind lediglich die kleinen Räumlichkeiten dieses Vorbaus bis hin zu den rechts noch sichtbaren roten Spundwänden und den Hohlräumen unter der Treppe zugänglich. Hinter den Spundwänden liegen geschätzte 15.000 Tonnen Schotter als Platzhalter und sonst gar nichts.

Anmerkungen des Webmaster: Ich vermute das die Tür/Raum erst aus den 1990er stammt. Die auf der linken Seite vorhandene Treppe ist zusammen mit dem dem Kirchturm erst nachträglich gebaut worden. Ursprünglich befand sich dort ebenfalls diese Spundwände und auf dem Standort von dem das Foto geschossen wurde, eine großer glatter Betonhügel der bis fast zur Brücke über dem Fotografen reichte.

Die Spundwände bei der MLK-Kirche.

Die Spundwände bei der MLK-Kirche.

Hinter diesen Spundwänden, die etwa 25 Meter in die Tiefe ragen, liegt Schotter, nichts als Schotter.

Schotter deshalb, weil die Steine sich untereinander verhaken und damit viel weniger Druck als beispielsweise Kieselsteine, Sand oder Erde auf die Spundwände ausüben.

Der Gedanke dieser Konstruktion war so einfach wie bestechend: Im Falle des U-Bahnbaus wird die Fahrbahn oben abgehoben, der Schotter und entsprechend der Notwendigkeit der darunter liegender Original-Untergrund abgegraben.

Danach können die Tunnelsohle und die Tunnel-Seitenwände hin zu den Spundwänden auf beiden Seiten und die Tunneldecke betoniert werden. Die weit ins Erdreich gerammten Spundwände sorgen dafür, dass das Steilshoop-Center und das gegenüber stehende Hochhaus beim Ausschachten der U-Bahntunnel nicht in die Baugrube rauscht, wie weiland das inzwischen weltberühmt gewordene Kölner Archiv.

Mein Informant - der sich vor Nachstellungen zahlreicher "Hobbyarchäologen" fürchtet und deshalb ungenannt bleiben möchte - sagte mir noch, dass Steilshoop zwischen acht und zwölf Meter über dem Meeresspiegel liegen würde und daher kaum Grundwasserprobleme bestünden.

Östliches Widerlager mit Blick zum Brückenquerbaus.

Die Spundwände bei der MLK-Kirche.

Wir stehen hier auf dem östlichen Widerlager der Betontrogbrücke(n).

Die Spundwände beiderseits der Straße sind, wie bereits erklärt, vollständig mit Schotter befüllt und reichen etwa dreißig Meter bis hinter das Brückenhaus. Die Pfeiler des Brückenquerbaus gründen mit Rücksicht auf einen späteren U-Bahnbau auch etwa in dreißig Meter Tiefe. Im Falle des U-Bahnbaus hätte man "nur" die Straße abzuheben, den Aushub zwischen den Spundwänden vorzunehmen, die Tunnelsohle, -wände und -decke zu betonieren und schließlich die Straße wieder anzulegen.

Zum Abschluß

Zum Abschluss noch der Google-Maps-Ausschnitt für einen Blick aus der Vogelperspektive auf den potenziellen U-Bahnhof Steilshoop.

Es bleibt die Frage, warum für ein hypothetisches Bauwerk ein solcher Aufwand betrieben wurde?
Aber auch hier ist des Rätsels Lösung wieder ganz einfach. Die umliegenden Gebäude erzeugen durch ihr extremes Gewicht einen gewaltigen Druck auf den Erduntergrund und bei Ausschachtungen in der vorliegenden unmittelbaren Nähe der Gebäude käme es durch den Gebäudedruck zwangsläufig zum Nachrutschen von Erdmaterial in die Baugrube mit den bekannten Folgen.

Da die zu Verhinderung des Nachrutschens notwendigen Spundwände mit hohem rythmischen Druck in den Baugrund gerammt werden müssen, wären beim nachträglichen Einrammen erhebliche Erschütterungen des Erdreichs und damit in der näheren Umgebung eine erhebliche Beeinträchtigung benachbarter Bausubstanz zu befürchten.

Mit anderen Worten: Das Ausschachten von Erdreich an direkt benachbarten Massivbauten dieses Ausmaßes samt der Unterquerung eines pfeilergestützten Querbaus ist in so hohem Maße risikobehaftet, dass es gar keine andere Möglichkeit gab, als die vorbeugende bereichsweise Untergliederung des Erdreiches durch Spundwände.

Das gilt insbesondere, wenn der Untergrund wie hier in Steilshoop aus einer kaum definierbaren Mischung von Morast und Trümmerschutt besteht.

Anmerkung durch Djensi: Die Setzung der Spundwände war für die 70ger stand der Technik, heute ist es auch in so dicht umbauten Raum wie Steilhoop mittels hydraulischer Pressung möglich, entsprechend Spundwände zu setzen ohne Kolateralschäden herauf zu beschwören.

Größenwahn Verkehrsplanung der 1970er Jahre

Flächennutzungsplan von 1973

Lasst Euch mal diesen Flächennutzungsplan von 1973 "auf der Zunge zergehen", er zeigt wunderbar den Größenwahn der damaligen Zeit, obwohl die erste Rezession samt Ölkrise schon hinter uns lag.

Ich wusste gar nicht, über was ich zuerst staunen sollte, über die Stadtautobahnen samt Kreuzungsdreieck mitten in Barmbek oder der beiden neuen U-Bahn-Linien.

Der Plan zeigt aber auch indirekt die Überlegenheit der Stadt- oder Straßenbahn, wenn man sich die wenigen neuen U-Bahn-Stationen anschaut.

Mit diesen sehr großen Haltestellenabständen würde man heute die doch sehr zur Bequemlichkeit neigenden Fahrgäste wohl kaum noch "hinter dem Ofen hervorlocken" können. Die Zeiten haben sich eben geändert und aus Erschließungssicht ist die Stadtbahn nicht nur preiswerter, sondern auch besser ...

Erstversion vom 07.08.2020. Letzte Aktualisierung am 07.08.2020.

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